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Die Sturmzeit-Trilogie

Sturmzeit/Wilde Lupinen/Die Stunde der Erben - Luxusausgabe

Erschienen am 10.10.2005
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783764502102
Sprache: Deutsch
Umfang: 1246 S.
Format (T/L/B): 7 x 24.5 x 17 cm
Einband: Leinen im Schuber

Beschreibung

Ostpreußen 1914: Felicia erlebt einen unbeschwerten Sommer und ihre erste Liebe auf dem Gut ihrer Eltern. Sie ahnt nichts vom Unwetter, das über Deutschland aufzieht und ihre Familie mit sich reißen wird... Die Bestseller-Trilogie "Sturmzeit" erstmals in einem Band - im eleganten Schmuckschuber!

Autorenportrait

Charlotte Link, geboren 1963 in Frankfurt/Main, ist die erfolgreichste deutsche Autorin der Gegenwart. Ihre psychologischen Spannungsromane, zuletzt "Das Echo der Schuld" und "Die letzte Spur", sind internationale Bestseller. Allein in Deutschland wurden

Leseprobe

Sturmzeit Der Junitag verdämmerte in rotgoldenem Abendlicht. Über den blaßblauen Himmel zogen ein paar zerrupfte Wolken, in den Wiesen zirpten Grillen, und die Blätter der Bäume rauschten leise. Die Tannenwälder am Horizont wurden dunkler, die Schatten über den Wiesen länger. Die Stämme der Kiefern leuchteten kastanienfarben. 'Morgen', sagte Maksim, 'fahre ich nach Berlin zurück.' Unvermittelt hatte der strahlende Abend seinen Glanz verloren. Felicia Degnelly, die neben Maksim am Ufer eines Baches saß, blickte erschrocken auf. 'Morgen? Aber warum denn? Der Sommer hat doch gerade erst angefangen!' Maksims Antwort war ausweichend. 'Ich treffe Freunde. Wichtige Freunde.' 'Genossen!' sagte Felicia spöttisch, aber ihr Spott sollte nur verbergen, wie verletzt sie war. Die Genossen kamen vor ihr, vor dem gemeinsamen Sommer auf dem Lande, vor Abenden wie diesem. Sie sah Maksim von der Seite an und dachte voller Erbitterung: Du weißt ja nicht, was du willst! Im Innersten aber war ihr klar, daß er es genau wußte. Seine Gedanken waren gefesselt von einer Idee, nicht von ihr. Er sagte nie, was andere Männer sagten, wenn sie mit ihr zusammen waren, etwa: 'Du bist sehr hübsch!' oder 'Ich glaube, ich könnte mich in dich verlieben!' Nein, von ihm kamen seltsame Worte wie Umsturz, Weltrevolution, Umverteilung des Eigentums, Enteignung der besitzenden Klasse. Daß es eine Welt für ihn gab, zu der sie keinen Zutritt fand und zu der er ihr auch keinen Zutritt erlauben würde, hatte sie schon vor fast zwei Jahren begriffen, am Kaisergeburtstag in Berlin, als sie durch die Straßen gingen und die jubelnden Menschen betrachteten, als in Maksims Gesicht Wut und Zynismus rangen. Plötzlich hatte er etwas vor sich hingemurmelt (später erfuhr sie, daß es ein Zitat von Marx war): 'Dieser Mensch ist nur König, weil sich andere Menschen wie Untertanen zu ihm verhalten.' Sie hatte ihn angeschaut. 'Was sagst du?' Auf einmal hatte ein verachtungsvoller, beinahe brutaler Zug um seinen Mund gelegen. 'Egal', erwiderte er und musterte geringschätzig ihr schönes Kleid und ihren neuen Hut (beides trug sie seinetwegen), 'egal, du wirst es doch nie verstehen. Nie!' Er hatte recht. Sie verstand ihn nicht. Sie verstand nicht, daß er sich für eine Idee begeistern konnte, während sie sich für das Leben begeisterte. Er wollte die Welt verändern zum Besten der Menschheit, und sie - ja, sie wollte eigentlich nur das Beste für sich selbst. Und sie wollte Maksim Marakow. Er war der Sohn eines Russen und einer Deutschen, hatte seine Jugend abwechselnd in Petrograd und Berlin verbracht, und alle Sommer auf dem Landsitz von Verwandten bei Insterburg in Ostpreußen, unweit von Lulinn, dem Gut, das Felicias Großeltern gehörte. Er war vier Jahre älter als Felicia, und von Anfang an waren sie wie magisch angezogen aufeinander zugegangen. Beide dunkelhaarig, mit hellen Augen und gleichmäßigen Gesichtszügen, hielten die meisten Leute sie für Geschwister. Kamen sie zusammen, so tauchten sie in eine fremde Welt, und über ihrer Kindheit lag der Zauber geheimer Spiele, die niemand störte. Die Obstgärten von Lulinn, die Wälder und Seen ringsum, die Wiesen waren Szenenbilder ihrer ungeschriebenen Zwei-Mann-Stücke. Irgendwann aber, in irgendeinem Sommer, betraten sie wieder ihre Bühne und erkannten einander kaum mehr. Felicia kam in eleganten Kleidern, trug die Haare aufgesteckt und hatte sich ein etwas gekünsteltes Lachen angewöhnt. Maksim erschien in abgetragenen Anzügen, sah blaß und übernächtigt aus. Beide waren sie erwachsen geworden, aber ihre ersten Schritte auf diesem Weg hatten sie in entgegengesetzte Richtungen getan. Ihre letzte Gemeinsamkeit bezogen sie aus Erinnerungen, aber es sah nicht so aus, als werde es Gemeinsamkeiten in der Zukunft geben. Und auf einmal erkannte Felicia: Ich liebe ihn. Ich werde ihn immer lieben. Sie liebte diese dunkle, fremde Welt, die sie nicht verstand. Sie liebte seine abweisen ...

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